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24 décembre 2015 4 24 /12 /décembre /2015 01:54

Suppenküche statt Sozialpolitik: Hilfsaktion von NGOs und der britischen Botschaft in Bukarest (11. Dezember 2013)

Foto: Bogdan Cristel/Reuters

»Experten« sollen es richten

Nach dem Brand in einer Diskothek in der Bukarester Altstadt am 30. Oktober mit insgesamt 60 Toten gingen in Rumänien in den ersten Novembertagen 2015 landesweit Zehntausende Menschen auf die Straße und forderten den Rücktritt der Regierung. Die Demonstranten warfen der politischen Führung Korruption vor und machten sie für die Feuerkatastrophe verantwortlich. Die Tatsache, dass zahlreiche Verletzte zur Behandlung in Krankenhäuser in andere EU-Länder ausgeflogen werden musste, offenbarte den desaströsen Zustand des rumänischen Gesundheitssystems, das in den vergangenen Jahren systematisch kaputtgespart worden ist. Am 4. November gab Premier Victor Ponta den Rufen nach.

Am 6. November traf sich Präsident Klaus Iohannis mit der »Zivilgesellschaft« im Palais Cotroceni. Unter den Vertretern von 18 Nichtregierungsorganisationen befand sich auch die später als Justizministerin vorgeschlagene Cristina Guseth, seit 1998 Leiterin des Thinktanks Freedom House in Rumänien. Dabei war auch die »Stiftung für die Entwicklung der Zivilgesellschaft«, finanziert von CEE (»The Trust for Civil Society in Central and Eastern Europe«), einer von George Soros geführte Organisation.

Am 10. November ernannte Präsident Iohannis den früheren EU-Kommissar für Landwirtschaft Dacian Ciolos zum neuen Premier. Fünf Tage später traf dieser auf dem Bukarester Flughafen EU-Präsident Jean-Claude Juncker und den Präsidenten des EU-Rates Donald Tusk. »Ich habe über die politische Situation Rumäniens, über die neue Regierung und vor allem über das Regierungsprogramm gesprochen«, kommentierte der parteilose Ciolos die Ergebnisse der Gespräche.

Am 17. November stellte der Premier dem Parlament schließlich 21 Minister zur Wahl – in westlichen Medien wird sie »Expertenregierung« genannt. Sie waren zuvor alle in der EU-Bürokratie oder in US-Thinktanks tätig. Die designierte Justizministerin musste Ciolos von der Liste indes streichen: Bei Fachfragen des Rechsausschusses des Parlaments hatte sich Cristina Guseth zu sehr mit Nichtwissen im juristischen Bereich blamiert. Sie konnte auch auf relativ einfache Fragen zum Regierungsprogramm nicht antworten.

Anlässlich seines ersten Besuches bei Premier Ciolos erklärte US-Botschafter Hans Klemm, dass seine Botschaft mit ihm und mit der Regierung zusammenarbeiten werden. Es gebe zahlreiche gemeinsame Interessengebiete, z.B. die Verstärkung der strategischen Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und dem Schwarzmeeranrainerstaat.

Die »Expertenregierung« von Dacian Ciolos soll bis zu den Parlamentswahlen im November 2016 im Amt bleiben. (mr)

Wirtschaftswissenschaftler schlagen Alarm. »Das Einfrieren des Mindestlohnes wird in Rumänien ein Entwicklungsmodell fortsetzen, das auf dem Vorteil relativ gut qualifizierter und billiger Arbeitskräfte basiert«, warnt Cristian Socol, Professor an der Wirtschaftsakademie ASE der Universität Bukarest, im Gespräch mit junge Welt. »Die Armut wird steigen, die ökonomische und soziale Polarisierung werden zunehmen.«

In Rumänien lebt mittlerweile jeder Fünfte unterhalb der Armutsgrenze. Und das, obwohl der gesetzliche Mindestlohn bereits um 50 Prozent erhöht wurde. In den vergangenen 25 Jahren hat sich die industrielle Landschaft verwandelt, ohne eine neue strukturelle Ausrichtung zu bekommen. Neoliberale Regierungen hatten 1991–1992, 1997–1999 und 2010–2011 den Rumänen die üblichen neoliberalen Schocktherapien aufgebürdet: Liberalisierung, Restrukturierung, Privatisierung.

»Die industrielle Basis wurde stark verringert, die Entwicklung der Industrie selbst nach darwinistischem Prinzip ausgerichtet: Wer standhält, ist gut. Wer nicht, kann zugrunde gehen«, fasst der Ökonom Socol die Maxime der Führung in Bukarest zusammen.

Im Jahr 2014 betrug der Anteil der rumänischen Industrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch 25,2 Prozent. 1989 waren es noch 46 Prozent. 4,4 Millionen Rumänen stehen in einem Arbeitsverhältnis, vor 25 Jahre waren es noch 8,2 Millionen. Drei Millionen Menschen haben dem »Armenhaus Europas« in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten den Rücken gekehrt und sind ausgewandert.

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Published by Manola Romalo - dans POLITIQUE